133 Jahre Dampfsäg
unsere geschichte
Vor 133 Jahren gründeten auf einem am Ortsrand von Sontheim gelegenen Gelände Xaver Grimm und Josef Mattner ein mit Dampf betriebenes Sägewerk.
Zu dieser Zeit gab es noch weitere drei Sägewerke in der Gemeinde, die aber mit dem Wasser der Günz angetrieben wurden. Der Vorteil der Dampfsäge war der Gleisanschluss zum nahe gelegenen Bahnhof. Das „günstige“ Holz aus Österreich konnte per Bahn angeliefert werden, und die Waggons wurden direkt im Sägewerk mit Brettern beladen.
Vor über 100 Jahren erwarb die Firma Joh´s Koch (schon im Besitz drei weiterer holzverarbeitender Betriebe) die Sontheimer Dampfsäge. Friedrich Koch, der Urgroßvater des jetzigen Besitzers Yuri Bilgram übernahm die Leitung bis zu seinem Tod 1961. Seine einzige Tochter Ilse starb zusammen mit ihrem Ehemann Wolfgang Schulz 1967 durch eine Schneelawine. Die vier Waisen Ingrid, Ortrun, Bernd, und Jörg Schulz waren später durch Auszahlung nicht mehr an der Firma Joh´s Koch beteiligt. Die Säge wurde durch Geschäftsführer weitergeführt bis 1988 der Betrieb eingestellt wurde. Alle Maschinen und Sägegatter wurden verkauft und die Gebäude lagen zwei Jahre still. 1990 kauften Klaus Bilgram, inzwischen verheiratet mir Ortrun, und die Geschwister Schulz das gesamte Sägewerksgelände.
1991 begannen Klaus und Ortrun Bilgram mit dem Renovieren der Hallen. Mühsam, aber mit viel Idealismus wandelten sich die alten Gebäude und wo früher Sägegatter knatterten spielt jetzt Musik.
Auf Wunsch der Besitzer wurde die Halle 1990 unter Denkmalschutz gestellt, dadurch konnte sie trotz Versammlungsstättenverordnung ihren Charakter erhalten. Unter den Rundbögen in dem architektonisch eindrucksvollen Industriedenkmal sitzen nun die Menschen zu allerlei Veranstaltungen beisammen. Nicht nur der Charme der Halle, sonder auch die gute Akustik sind ein Geschenk.
Der Beginn einer Dampfsäggeschichte
1890/91 erbauten Xaver Grimm aus Sontheim und Josef Mattner aus Memmingen auf Plan No 513 1/12 der Gemeinde Sontheim auf dem Gelände mit 0,787 ha = 2.3 Tagwerk das Wohnhaus No. 115 und eine Dampfschneidesäge.
Weithin sichtbar war der hohe Fabrikschlot. Hinzu kam die Kistenmacherei, in der Verpackungskisten für den Käsetransport hergestellt wurden. Die Maschinen wurden über Transmissionen von der Dampfmaschine angetrieben. Das Gelände hatte keinen Zugang zur fließenden Günz, aber die Nähe zum Bahnhof. 1896 wurde das elektrische Licht eingebaut und damit die Petroleumbeleuchtung abgelöst.
Nach häufigem Besitzerwechsel ging 1917 das Sägewerk an Joh´s Koch o. H. Holzgroßhandlung in Eislingen. Wenige Wochen nach erfolgtem Kauf brach ein Brand aus und vernichtete die Sägehalle mit den vier Vollgattern. Die Zimmerei Albrecht aus Ottobeuren wurde mit dem Wiederaufbau beauftragt und errichtete bis zum Sommer 1918 die heute noch bewundernswerte Rundbogenhalle, das Herzstück der heutigen „Dampfsäg“.
Im Zuge der Modernisierung verschwanden die Dampfmaschine und der Fabrikschlot. Ab 1938 wurden die Wellen mit Holzgas angetrieben. Dafür wurde das Kesselhaus mit zwei Gaskesseln an die Maschinenhalle angebaut. Ein Kessel bergüßt heute die Gäste am Eingang, der andere steht noch im Kesselhaus.
Die Holzgaskessel wurden mit Holzabfällen aus dem Sägewerk beschickt. Somit konnte das Sägewerk seine eigene Energie erzeugen. Schwungräder mit bis zu vier Metern Durchmesser wurden von der Holzgasturbine angetrieben. Eine Welle verlief unterirdisch zur Kistenmacherei. Mit der Abwärme hätte man das ganze Sägewerk mit Leichtigkeit heizen können.
Doch der „Fortschritt“ brachte 1973 den Strom und die Zeit der Transmissionen war vorbei. Eine Hobelmesserschleifmaschine erzählt heute noch in der ehemaligen Esse und Schärferei, jetzt Stüble, mit Riemen und Welle von alten Zeiten.
1967 wurde eine neue und längere Sägehalle gebaut mit Brettersortieranlage um rationeller und leistungsfähiger die Rundhölzer sägen zu können. Die Rundbogenhalle wurde nur noch als Bretterlager genutzt, bis das Sägewerk 1988 schloss.
Zu Beginn unserer Zeit
Im Jahr 1991, als wir, Enkel des Friedrich Koch, die ehemalige Dampfsäg übernahmen und unter Denkmalschutz stellen ließen, glaubte kaum einer an die Vision der Kultursäge“, so Ortrun Bilgram.
Zuerst einmal wurde die Halle geräumt und mehrere Kubikmeter antikes Sägemehl vom Gebälk und aus den Spinten abgetragen. Die alten Bodendielen wurden entfernt und wieder lückenlos zusammengefügt, teilweise mussten neue Dielen eingesetzt werden. Die Idee, die Halle zu erhalten und zu beleben mit Markt, Kino, Konzerten, Feiern und Vielem mehr stand fest in unseren Köpfen, aber wer kommt in eine unbekannte Dampfsäg?
Drei Veranstaltungen, noch mit Primitivküche und Toillettenwagen bestätigten unser Vorhaben. Viele kamen damals, vielleicht auch aus Neugierde.
Im Winter 1991/92 wurde investiert. So entstand in der Maschinenhalle eine Großküche und unten im Sägmehlsilo wurden Toiletten für 400 Besucher eingebaut. Den ersten Stock des Silos nimmt die Gasheizung für die Rundbogenhalle ein. Dann kamen harte Zeiten, bis die Dampfsäg eine gefestigte Einrichtung war. Jeden verdienten Pfennig steckten wir in die Renovierung, benutzten alte Hölzer und Ziegelsteine, bauten den Dachstuhl der zum Abriss stehenden Dreikönigsmühle in Memmingen ab, um die Balken verwenden zu können, gruben dort einen Lastwagen voll Granitpflastersteinen aus und verlegten sie wieder im Dampfsäggelände.
Wir deckten alle Dächer neu, die Fa GIMA aus Maiklkofen spendete uns 75 Tonnen Biberschwänze für das Kistenmachereidach. Die Dachziegel auf der Rundbogenhalle kamen nach der Isolation zurück aufs Dach.
Wenige, aber für uns so wichtige Menschen, unterstützten damals unsere Idee, viele hielten uns für verrückt. Es entstanden herzliche Freundschaften und wir sind allen handwerklichen und kreativen Helfern und Spendern sehr dankbar.
Nach 20 Jahren Kulturbetrieb ist die fünfte Generation Koch in die Dampfsäg eingestiegen. Yuri Bilgram und Verena Schrei haben 2012 die Dampfäg übernommen. So bleibt das Leben in der Dampfsäg erhalten und der außergewöhnliche Veranstaltungsort kann noch von vielen Menschen besucht und genutzt werden.
Heute, mehr als eine Generation später, ist die Dampfsäg selbstverständlich geworden und weit über die Region hinaus bekannt und beliebt. Die Besucher kommen zu Kinovorstellungen, Flohmärkten, dem Wochenmarkt, Festivals, Vorträgen, Konzerten und Kabarettveranstaltugen und auch für private und betriebliche Feiern ist die Dampfsäg mit ihren qualitätvollen Speisen und der lockeren, familiären Atmosphäre beliebt.
All diese Veranstaltungen gilt es zu organisieren und durchzuführen, die Gebäude zu pflegen und dabei das 1,5 ha große Gelände nicht ganz der Natur zu überlassen.
Was uns in der Dampfsäg und für unserer Besucher wichtig ist
Gastronomie
An unserer Esstheke hängt der Spruch:
„Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche, nicht durch die Apoteke“
Unsere Besucher dürfen nicht nur die gemütliche Atmosphäre, die Filme oder die Musik genießen, sondern auch unsere Speisen. Zu allen Veranstaltungen, auch zu Kino und Konzerten, wird gekocht. Spätzle, Knödel, Maultaschen, Krautkrapfen, Spinatstrudel, alles hausgemacht. Auch Mutters gute Küchenrezepte schmecken oder wir verbinden Thema und Region unserer Kinofilme und Veranstaltungen mit unserem Angebot.
Wir verwenden qualitativ hochwertige Nahrungsmittel (keine Fertigprodukte und keine Geschmacksverstärker): eben der Weg durch die Küche und nicht durch die Apotheke. Überwiegend sind unsere Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Eier, Milchprodukte, Getreideprodukte, Kaffee und vieles mehr aus kontrolliert biologischem Anbau. Fleisch kaufen wir in Bioqualität oder aus der Region, wie z. B. Primarind und Landschwein aus dem Allgäu. Unsere Getränke Wein, Orangen-, Trauben-, Johannisbeersaft sind aus kbA, Apfelsaft von Unterallgäuer Streuobstwiesen. Die Biere liefern uns regionale Brauereien: Härle aus Leutkirch, Kronburger vom Schweighart, Störchle aus Pfaffenhausen,
Meckatzer aus Heimenkirch.
Unsere Philosophie: regional, saisonal, umweltbewusst, ressourcenschonend, dass es Ihnen schmeckt und es den Tieren und der Natur gut geht.
Wochenmarkt
Bei den ersten Überlegungen der Hallennutzung erinnerte uns die Hallenkonstruktion an die Barceloner Markthallen. Mit dem Wochenmarkt hat dann auch das bunte Treiben in der Dampfsäg begonnen. Der Markt findet seitdem jeden Donnerstag von 16.00 – 19.15 Uhr statt und ist für viele ein beliebtes Einkaufsziel und ein Treffpunkt für die ganze Familie geworden. Einkaufen, Abendessen, auf dem Spielplatz rumtollen und miteinander ratschen, das macht Spaß. Nicht nur Käse, Wurst, Brot und Oliven von den Marktständen auch das reichhaltige Speiseangebot aus unserer Küche wird gewünscht.
Selbst wenn die Marktleute gegen 19.30 Uhr abbauen ist in lauen Nächten im Biergarten noch lang nicht Schluss.
Konzerte, Kino, Kabarett
Vor Kino und Konzerten von 19.00 bis 20.00 Uhr bieten wir warmes Abendessen an. Sie sitzen gemütlich an den Tischen und erleben die Künstler hautnah. Die Künstler werden von uns familiär betreut, das spürt man oft auch bei den Konzerten. Häufig sagt man nach Kino und Konzert „wo gehen wir noch hin?“, bei uns können Sie in guter Atmosphäre sitzen bleiben und miteinander über den erlebten Abend sprechen.
Die Kinovorführung hat sich im Zuge der Digitalisierung gewandelt. Ab 1997 ratterte hoch über der Esstheke der Projektor Baujahr 1956 aus dem Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft in Ostberlin. Mitte des Films, meist wenn´s spannend wurde, war Pause. Die Rollen mussten – sichtbar für alle- gewechselt werden und man hatte Zeit Getränke nachzuholen.
Dann wurden die Filmrollen rar und verschwanden in den Archiven. Wir mussten mit einem Beamer umsteigen auf BlueRay und DVD.
Um Bild und Ton zu verbessern und wieder jederzeit aktuelle Filme spielen zu können, hat die Dampfsäg 2016 die stolze Summe von 35 000,00 € in einen digitalen Kinoprojektor investiert.
Wir freuen uns über die vielen und regelmäßigen Kinobesucher denen wir gerne noch lange ein ansprechendes Kinoprogramm bieten wollen. Neben den heiteren Filmen, die den Alltag vergessen lassen und einem mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause schicken, versuchen wir auch wertvolle, prämierte und kritische Filme zu spielen, deren Thematik wir als wichtig erachten und die es wert sind verbreitet zu werden.
Heute werden in der Dampfsäg keine Holzstämme mehr gesägt, aber sie ist weiterhin vom Handwerk geprägt. Wir freuen uns, dass unsere Veranstaltungen von so vielen Menschen angenommen werden, und wir mit der Dampfsäg einen Ort schaffen konnten, an dem sich die Leute wohlfühlen, Freunde und Gleichgesinnte treffen und Naturverbundenheit und Bodenständigkeit einen Platz haben.
Andere über uns | O-Töne zum 25-jährigen Jubiläum
„Ja wer hätt‘ des denkt – als vor 25 Jahren Wind und Regen durch Dach und zerborstene Fensterscheiben pfiffen und unten auf staubigen Bretterstapeln ein Häuflein Freunde zusammmensaß, war das die Geburtsstunde des Projekts Dampfsäg. Diese Sägehalle ist mittlerweile zum mehrfach preisgekrönten überregionalen Kultur – und Erlebniszentrum für Jung und Alt geworden, mit anspruchsvoller Kleinkunst, Biomarkt, Filmabenden und exzellenter Küche.“
„Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Treffen mit Bilgrams und diese Begeisterung hat einen richtig mitgerissen. Die Bedeutung und Tragweite dieses ganzen Projekts, das haben wir alle erst sehr viel später begriffen.“
„Ich kenne die Dampfsäg seit 25 Jahren und die Rettung dieses Gebäudes und das Kulturengagement des Vereins finde ich einfach ganz hervorragend und unterstütze es so gut ich kann. Kunst, Essen und Musik: das ist doch eine wunderbare Kombination.“
„Anfangs von vielen belächelt, als Spinnerei abgetan, war die Idee der Damfsäg kein Selbstläufer. Es gab viele Versuche die Idee zu beeinflussen, zu verwässern, weichzuspülen. Klaus Bilgram und sein Team sind aber beharrlich ihren Weg gegangen und haben die Dampfsäg zu dem gemacht was sie heute ist. Wir finden in der Dampfsäg sehr viel mehr schwäbisch-allgäuerische Heimat als vielen bewusst ist: Eine gewisse „Sturheit“ den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen, der typische „Mecheler“ der mit Kreativität und handwerklichem Geschick das weitläufige Areal permanent weiterentwickelt, die Bewahrung der Eigenständigkeit durch konsequente „Sparsamkeit“ (Friseure haben es nicht leicht im Hause Bilgram), die „Heimatverbundenheit“ durch konsequente Regionalität, aber auch die nötige „Bauernschläue“ den Kurs da zu korrigieren wo es einfach notwendig ist.“
„Wir denken gerne an die Anfänge des kleinen Wochenmarktes zurück. Vieles war improvisiert und Abenteuer. Das Konzept der Dampfsäg hat sich bis heute großartig entwickelt. Ein Vierteljahrhundert Dampfsäge ist allein schon ein Beleg für die Nachhaltigkeit dieses Projektes.“
„Anfang der 90er Jahre hat mir in München ein „Kulturimpresario“ erzählt, dass es im Allgäu bald einen ganz besonderen neuen Veranstaltungsraum geben soll, welcher akustisch die Münchner Philharmonie übertreffe. Mittlerweile ist es bereits eine schöne Tradition, dass wir auch dort spielen dürfen und jedes Mal freuen wir uns darauf. Und ganz besonders auf das Essen: Schupfnudel, Schluzkrapfen, Krautwickerl oder Spinatknödel – es schmeckt immer ausgezeichnet.“
„Die Erhaltung der Dampfsäg war insofern etwas ganz besonderes, da es im ländlichen Bereich zu diesem Zeitpunkt keine Industriedenkmäler gab. In Bezug auf die Konstruktion gibt es nichts vergleichbares.“
„25 Jahre Dampfsäg, das sind 25 Jahre Vielfalt, Atmosphäre, Unberechenbarkeit, Improvisation und Überraschendes! Und bei aller Internationalität der Künstler immer auch eine regionale Verbundenheit.“
„Die Dampfsäg? Das ist wie ein Gefühl wenn man lange weg war und wieder heim kommt und merkt, dass noch alles beim alten ist. Und außerdem eine ideale Ergänzung zum Ottobeurer Kulturangebot.“
„Als ich die Dampfsäg‘ vor 20 Jahren zum ersten Mal betrat und die Bilgrams kennen lernte, spürte ich schon die Magie: Ein Gefühl, als ob man in ein anderes, behagliches, gelassenes, wirklich menschliches Universum wechselt, ein Alternativprojekt auf Schwäbisch, einmalig und durch nichts zu ersetzen.“